Digitales Saryazd, Iran

Digitales Saryazd, Iran

Im Dezember 2019 wurde ein Projekt der privaten philantropischen Seaton Foundation zur digitalen Dokumentation der Burg Saryazd durchgeführt. Ziel war es, die Burg in ihrem aktuellen Zustand für Konservierungs- und Erhaltungszwecke zu dokumentieren. Darüber hinaus können die Aufnahmen auch von Wissenschaftler*innen, die nicht in der Lage sind, die Anlage vor Ort zu besuchen, zu Forschungszwecken verwendet werden.

Beitrag von Dr. Kristy-Lee Seaton und Dr. Miglena Raykovska

Gigapixel-Aufnahme über den Dächern

Das Dorf Saryazd liegt in Zentraliran, etwa 50 km von der historischen Stadt Yazd entfernt. Dank einer konstanten Wasserversorgung und fruchtbarem Ackerland war es einst das größte Dorf der Provinz Yazd. Heute hat das Dorf nur noch eine kleine Wohnbevölkerung und einen Zustrom von Wochenendbesuchern. Eine der touristischen Attraktionen ist die Burg von Saryazd. Die Burg, die nie Sitz eines Herrschers war, wurde als Zitadelle gebaut, in die sich die örtliche Bevölkerung in Zeiten der Not flüchten konnte. Das Baudatum wird allgemein auf die Zeit der Sassaniden (3. bis 7. Jahrhundert n. Chr.) festgelegt. Das Dorf Saryazd soll jedoch im 8. Jahrhundert entstanden sein. Die frühesten Zeugnisse der Burg stammen aus der Al-Mozafar-Dynastie im 14. Jahrhundert, mit weiteren Anbauten während der Safawiden-Dynastie im 15. und 16. Jahrhundert. Aufgrund der architektonischen Typologie wird auch eine Datierung in die Samani-Ära (9. bis 10. Jahrhundert) vorgeschlagen.

Grundriss der Anlage

Die Burg von Saryazd ist eine von einem Graben umgebene Zitadelle mit einem einzigen Zugang über eine Zugbrücke. Die Festung besteht aus einer inneren und einer äußeren Festungsmauer sowie aus Wehrtürmen. Sie besteht aus drei Stockwerken, in denen schätzungsweise 1500 Räume untergebracht sind. Ein Großteil der oberen Stockwerke ist verschwunden, so dass die Zahl der Räume anhand der noch vorhandenen Zeugnisse wahrscheinlich eher bei 850 liegt. Die Räume dienten in erster Linie der Lagerung von Wertgegenständen, wie z. B. Getreide.

Das bauliche Erbe Irans besteht in erster Linie aus Lehmbauten, die bis heute eine gängige Bautechnik sind. Wohnkomplexe, Karawansereien und defensive Wohnkomplexe wie Saryazd schützten Gemeinschaften vor den Gefahren von Naturgewalten, Tieren und menschlichen Bedrohungen. Diese über den ganzen Iran verteilten Gebäude haben eine ähnliche Funktionalität sowie einen ähnlichen Grundriss und Stil. Leider werden sie trotz ihrer Bedeutung für das iranische Kulturerbe von den Wissenschaftlern nur unzureichend untersucht.

Die Festung Saryazd wurde in dem Zeitraum vom 8. bis zum 17. Dezember 2019 von Dr. Seaton und Dr. Raykovska besucht und digitalisiert. Während des gesamten Projekts wurden insgesamt 30‘428 Fotos aufgenommen, darunter fünf Gigapixel-Panoramen und 78 360º-Panoramen. Die Auswertung und Aufbereitung der Datenmenge von insgesamt 268 GB beanspruchte ca. 98 Stunden.

Dr. Kristy-Lee Seaton mit piXplorer 5oo

Die Arbeit in Saryazd war mit verschiedenen Herausforderungen verbunden. Das Gelände sieht aus wie ein Labyrinth und fühlt sich auch so an. Die Gänge sind sehr eng. Der Zugang zu den meisten Räumen ist kompliziert und an einigen Stellen sogar gefährlich. Eine zuverlässige Ausrüstung, die sich leicht bewegen lässt, staubgeschützt ist und aus der Ferne aktiviert werden kann, vereinfacht die archäologischen Arbeiten erheblich.

Die meisten Lagerräume in Saryazd haben keinen Zugang zu Licht, vor allem die im Erdgeschoss gelegenen. Die HDR-Fotografie ist die einzige Möglichkeit, die erheblichen Lichtunterschiede in einer solchen Umgebung zu erfassen. Der Zeitrahmen für das Projekt war ebenfalls eine Herausforderung: nur zehn Arbeitstage, einschließlich Vermessung des Standorts, Fotografie, Fotogrammetrie und Bearbeitungszeit.

Um in einer solchen Umgebung beste Ergebnisse zu erzielen, arbeitete das Team mit zwei Systemen des Herstellers CLAUSS: „piXplorer“ und „piXplorer 5oo“. Beide Roboter zeichnen sich besonders durch Geschwindigkeit, Präzision und einen breiten Belichtungsausgleich aus. Der piXplorer wurde für die Gigapixelfotografie verwendet, und deshalb mit einer Nikon D500 Kamera und einem Objektiv der Brennweite 105mm ausgerüstet. Das speziell für diese Anwendungen ausgelegte Panoramastativ von CLAUSS sorgte für ausreichend Stabilität.

piXplorer bei der Aufnahme eines Gigapixel-Bildes

Der piXplorer ist relativ leicht, klein und einfach zu handhaben. Er erfordert eine manuelle Einstellung ohne Parallaxe, aber die Einstellung kann für bis zu 10 verschiedene Objektive gespeichert werden. Der piXplorer ist schnell, und der Akku reicht für bis zu 100 Panoramen pro Tag, nachdem er über Nacht aufgeladen wurde. Insgesamt wurden fünf Gigapixel-Panoramen erstellt. Diese Bilder zeigen die Außenmauern der Festung, jeweils einmal aus jeder Himmelsrichtung und eines mit Blick auf das Dach des Nordturms.

Fachleute aus dem Bereich des kulturellen Erbes, Architekten, Archäologen und Restauratoren, können die Bilder nutzen, um den Zustand der Stätte zum Aufnahmezeitpunkt zu betrachten. Dies kann bei der Erkennung von Rissen und der Analyse anderer struktureller Pathologien helfen.

Der piXplorer 5oo wurde für den virtuellen 360-Grad-Rundgang verwendet, weil er eine hohe Genauigkeit (keine Stitching-Fehler), eine hohe Auflösung (512 Mpx), eine hohe Geschwindigkeit und vor allem die Möglichkeit bietet, Aufnahmen in völliger Dunkelheit zu machen. Das integrierte Licht kann auf verschiedene Stärken eingestellt werden, und die gemachten Erfahrungen zeigten, dass es selbst bei halber Leistung in den dunkelsten Räumen effektiv funktioniert.

Für die HDR-Bearbeitung und das 360-Grad-Panorama-Stitching verwendete das Team die zum System gehörende Software „piXplorer 5oo“. Für jedes Panorama wurden etwa 7 Minuten Bearbeitungszeit benötigt (Intel i9-9880H, 64 GB RAM).

Insgesamt wurden 78 Rundumansichten erstellt. Dabei handelt es sich um 18 Panoramen von den Außenwänden der Festung und 60 Innenpanoramen. Die Panoramen wurden in einen virtuellen Rundgang eingefügt, der über eine Webseite bereitgestellt wird. Der Rundgang enthält alle aufgenommenen Panoramen. Darüber hinaus gibt es Standbilder, die während des Projekts aufgenommen wurden. Weitere Texte oder Audiodateien können zu einem späteren Zeitpunkt hinzugefügt werden, um das Angebot zu erweitern.

Virtuelle Tour durch Saryazd

Gigapixelaufnahmen aus Saryazd

Ausführlicher Artikel im EXARC Journal